Donnerstag, 6. Oktober 2011

Kein wirksamer Vertrag über ebay bei Unkenntnis des account-Inhabers von der Nutzung seines Zugangs

Kein wirksamer Vertrag über ebay bei Unkenntnis des account-Inhabers von der Nutzung seines Zugangs


RA Sven Reissenberger berichtet über ein Urteil des LG Offenburg vom 14. September 2011, AZ 2 O 316/10.

Ich berichte heute über einen aktuellen und für die Praxis sehr relevanten Fall im Nachgang zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 289/09, LG Dortmund, Urteil vom 23. Dezember 2008 – 3 O 508/08, OLG Hamm, Urteil vom 20. Juli 2009 – I-2 U 50/09.

Der Fall ist deshalb so relevant, weil verschiedene alltägliche Fragen in dieser Entscheidung berührt und zutreffenderweise entschieden worden sind. 

Sowohl in dem BGH-Fall als auch in dem hier entschiedenen Fall ging es unter anderem um die Frage, inwiefern der Inhaber eines ebay-Mitgliedskontos für die ohne sein Wissen erfolgte Ersteigerung eines Gegenstandes haftet.

Im vorliegenden Fall ging es darum, dass eine Ehefrau -die spätere Beklagte- ein Mitgliedskonto bei ebay besaß. Ihr Ehemann war mit einem Nachbar befreundet. Der Nachbar wollte 2 Motorräder über ebay verkaufen, ohne jedoch ein eigenes Konto oder gar einen eigenen Internetanschluss zu besitzen. Der Ehemann zeigte sich hilfsbereit und stellte ohne Wissen seiner Ehefrau die beiden Motorräder über das Mitgliedskonto seiner Ehefrau bei ebay ein. 
Ein Kunde -der spätere Kläger- ersteigerte dann nach kurzer Zeit eins der beiden Motorräder.

Die Abwicklung sollte über den Nachbarn erfolgen, dessen Telefonnummer auch bei ebay angegeben war. 

Der Erwerber aus Süddeutschland stammend meldete sich demgemäß telefonisch bei dem Nachbarn in Dortmund. Er beauftragte jedoch seinen Bruder, der bei dem Nachbarn erschien, das Motorrad abzuholen. Sowohl der Nachbar als auch der Bruder des Klägers füllten gemeinsam ein ADAC-Kaufvertragsformular aus und unterschrieben beide den Kaufvertrag, der Nachbar als Eigentümer und Veräußerer, der Bruder des Klägers als Erwerber. 


Das Motorrad und der Kaufpreis wurden unmittelbar vor Ort ausgetauscht und der Kaufvertrag beidseitig sofort erfüllt. 

Nach ca. einem Monat behauptete der Ersteigerer und spätere Kläger Mängel und wandte sich an die Ehefrau und spätere Beklagte, die nunmehr vom gesamten Sachverhalt erstmalig Kenntnis erhielt. 

Zu Recht stellte das Landgericht Offenburg fest, dass es bereits an der sog. Passivlegitimation der Ehefrau fehlte, sie also nicht die richtige Beklagte war, da ohne ihr Wissen die Versteigerung erfolgte. 

Darüber hinaus stellte das Landgericht Offenburg zutreffenderweise fest, dass auch ein regulärer Kaufvertrag zwischen dem Nachbarn und dem Bruder des Ersteigerers zustande kam. In diesem Rechtsverhältnis wurden mangels andersartiger Verlautbarungen die Leistung (das Motorrad) und die Gegenleistung (der Kaufpreis) ausgetauscht. Dem Anspruch des Ersteigerers gegen die Ehefrau stand daher auch entgegen, dass der Ersteigerer zu keiner Zeit seine Leistung (den Kaufpreis) gegenüber der Ehefrau erbracht hatte.

Aus all diesen Gründen wurde die Klage des Ersteigerers gegen die Ehefrau als Inhaberin eines ebay-Mitgliedskontos zu Recht abgewiesen.

Das Urteil lautet im Einzelnen wie folgt:

Geschäftsnummer: 2 O 316/10 Landgericht Offenburg 2. Zivilkammer 
Im Namen des Volkes 
Urteil
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg auf die mündliche Verhandlung vom 31. August durch Richter an Landgericht .... als Einzelrichter für R e c h t erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von .... € Zug um Zug gegen Rückgabe des Motorrades .... Fahrzeug-Identifikationsnummer .... nach erklärtem Rücktritt. Streitig ist zwischen den Parteien bereits die Aktiv- und Passivlegitimation. 
Der Beklagte unterhält beim Internet Auktionshaus ebay ein Konto unter dem Mitgliedsnamen ..... Unter Nutzung dieses Zuganges wurde das streitgegenständliche Motorrad zum Verkauf angeboten. Unter seinem Benutzernamen .... erhielt der Kläger am .... den Zuschlag zu einem Preis von .... €.
Nach Terminabsprache zwischen dem Kläger und dem Zeugen .... erschien am .... der Bruder des Klägers, der Zeuge ..., beim Zeugen .... Dabei kam es zur Abfassung einer Kaufvertragsurkunde bezüglich des streitgegenständlichen Motorrades, die den Zeugen ... als Verkäufer und den Zeugen ... als Käufer ausweist. Hinweise auf ein Handeln für Dritte ergeben sich aus der Urkunde weder für den Käufer noch für den Verkäufer. Bezüglich des genauen Inhaltes der Urkunde wird auf die Anlage ... verwiesen. 
Nach Abfassung der Kaufvertragsurkunde wurde der Kaufpreis um ... € auf ... € reduziert. Die Änderung wurde jedoch in der Kaufvertragsurkunde nicht vermerkt. 
Unmittelbar im Anschluss an die Abfassung der Kaufvertragsurkunde wurde dem Zeugen ... am ... vom Zeugen ... der Kaufpreis in Höhe von ... € bar übergeben. Im Gegenzug erhielt der Zeuge ... vom Zeugen ... das streitgegenständliche Motorrad ausgehändigt. 
Mit Schreiben vom ... (Anlage ...) wurde die Beklagte mit Fristsetzung zum .... vom Kläger aufgefordert, Mängel am Motorrad zu beseitigen.
Nachdem die Mängelbeseitigung abgelehnt worden war, erklärte der Kläger mit Schreiben vom ... (Anlage ...) den Rücktritt vom Vertrag und die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. 
Der Kläger behauptet, mit dem Zuschlag vom ... sei ein verbindlicher Kaufvertrag mit der Beklagten als Inhaberin des ebay-Kontos ... zu Stande gekommen. Die Beklagte sei daher Vertragspartnerin geworden. Daher habe der Zeuge ... das Motorrad am ... an ... Herrn ... nur als Nichtberechtigten verkaufen können. Der Zeuge ... sei nur Bote gewesen. Er habe keine Willenserklärung für den Kläger abgegeben. Dem Zeugen ... sei bekannt gewesen, dass es sich bei Herrn ... um den Bruder handle und damit nicht um die Person, mit der der Kaufvertrag über das Motorrad abgeschlossen wurde. Der Kaufpreis sei vom Kläger bezahlt worden. Das Motorrad befinde sich beim Kläger. Es werde bestritten, dass der Zeuge ... Eigentümer des streitgegenständlichen Motorrades war. Weiter werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Zeuge ... über keinen Internetanschluss verfüge und seinem Bekannten ..., den Ehemann der Beklagten, gebeten habe, ihm beim Verkauf des Motorrades zu helfen. Weiter werde bestritten, dass der Ehemann der Beklagten ohne deren Wissen deren Konto bei der Internet Auktion Plattform ebay nutzte. Bestritten werde auch, dass die Beklagte den Kaufpreis nicht erhalten habe. 
Das streitgegenständliche Motorrad sei bei der Übergabe mangelhaft gewesen, weshalb der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sei. Der Gewährleistungsausschluss sei nicht wirksam vereinbart. Der Beklagte habe Eigenschaften verbindlich zugesichert und im übrigen arglistig gehandelt, weshalb er sich auf einen Gewährleistungsausschluss nicht berufen könne.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ... € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem ... Zug um Zug gegen Übergabe des ..., sowie weitere .... € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit ... zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten als Nebenforderung in Höhe von ... € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Motorrades ... in Verzug befindet. 
Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilt, die Mängel am Motorrad zu beseitigen, welche unter Ziffer ... der Klagebegründung beschrieben sind. 
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Offenburg. Weiter behauptet die Beklagte, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, jedenfalls die Beklagte nicht passivlegitimiert. Alleiniger Eigentümer des streitgegenständlichen Motorrades sei der Zeuge ... gewesen. Da dieser über keine Internetanschluss verfügte, habe er seinen Bekannten, den ... der Beklagten gebeten, ihm beim Verkauf zu helfen. Dieser habe das streitgegenständliche Motorrad über das Konto der Beklagten beim Internet Auktionshaus ebay inseriert, ohne dass die Beklagte davon Kenntnis gehabt habe. Ein Kaufvertrag mit der Beklagten sei daher zu keinem Zeitpunkt zustande gekommen. Im übrigen sei die Übergabe des Motorrades Zug um Zug gegen Erhalt des Kaufpreises in Vollzug des ADAC Kaufvertragsformular vom ... zwischen dem Zeugen ... als Eigentümer des Motorrades und dem Zeugen ... erfolgt. Davon habe die Beklagte nichts mitbekommen. Sie habe auch den gezahlten Kaufpreis nicht erhalten. Der Zeuge ... habe sich auch nicht als Bote offenbart. Eine Haftung der Beklagten für Sachmängel bestehe daher jedenfalls nicht.
Am ... wurde mündlich verhandelt. Der Kläger wurde informatorisch angehört. Auf das Protokoll vom ... Aktenseite 151-157 wird verwiesen. Es wurde Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen ... und .... Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom ... verwiesen. 
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen. 

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. 
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 ZPO. Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr des ... Erfüllungsort ist in diesem Fall der Ort, wo sich die Kaufsache zum Zeitpunkt des Rücktrittes befindet, mithin der Wohnort des Klägers in .... und damit im Bezirk des Landgerichtes Offenburg.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert. 
Unabhängig von der Frage, ob zwischen der Beklagten und dem Kläger über die Internetauktionsplattform ebay ein Kaufvertrag zu Stande gekommen ist, hat der Kläger gegen die Beklagte schon deshalb keinen Anspruch gerade auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe ... wegen Sachmängeln, weil zur Überzeugung des Gerichtes nicht die Beklagte, sondern der Zeuge ... in Erfüllung des Kaufvertrages vom ... das streitgegenständliche Motorrad mit den behaupteten Mängeln übergeben und im Gegenzug den Kaufpreis erhalten hat. Ein möglicher Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem der Beklagten könnte daher höchstens einen Erfüllungsanspruch des Klägers (dann aber auch der Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises) oder Schadensersatzansprüche des Klägers begründen, nicht jedoch die Beklagte verpflichten, einen nicht erhaltenen Kaufpreis zurückzuzahlen und ein nicht übergebenes Motorrad zurückzunehmen.
Die Kaufvertragsurkunde vom ... weist den Zeugen ... als Verkäufer und dem Zeugen .... als Käufer aus. Aus der Vertragsurkunde ergibt sich kein Hinweis auf ein Handeln der Zeugen ... für die Beklagte oder auf ein Handeln des Zeugen ... für den Kläger. Der Inhalt der Kaufvertragsurkunde spricht aufgrund seines eindeutigen Wortlautes vielmehr gerade gegen ein Handeln für Dritte.
Auch die Beweisaufnahme führte zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wusste der Zeuge ... nach eigenen Angaben, dass es sich bei Herrn ... nicht um die Person handelt, die bei der Interpretationsplattform ebay den Zuschlag erhalten hatte. Übereinstimmend geben jedoch sowohl der Zeuge ... als auch der Zeuge ... an, es sei zu keinem Zeitpunkt über mögliche andere Vertragspartner oder ein Handeln für Dritte gesprochen worden. Auch sei zu keinem Zeitpunkt über mögliche andere Vertragspartner oder ein Handeln für Dritte gesprochen worden. Auch sei zu keinem Zeitpunkt - auch nicht die bei Abschluss des ADAC Kaufvertrages Anlage B2 - über den Zuschlag bei der Internetauktionsplattform ebay gesprochen worden. Der Zeuge ... räumt sogar ein, nicht ausdrücklich gegenüber dem Zeugen ... geäußert zu haben, er sei nur der Bruder des „Käufers\". Der Zeuge ... bekundete zudem glaubhaft unter Darlegung der Erwerbshistorie, Eigentümer des Motorrades zu sein. Auch der Zeuge ... ging nach seinen Angaben davon aus, das ... vom Zeugen ... zu erwerben. Der Name der Beklagten sei zu keinen Zeitpunkt gefallen. Weiter erläutert der Zeuge ... glaubhaft unter Darlegung der Umstände, dass er sogar den Zeugen ... noch gefragt habe, wer als Käufer eingetragen werden solle im Hinblick auf die Erlangung deutscher Fahrzeugpapiere, worauf dieser seine Person als Käufer in das ADAC Kaufvertragsformular eingetragen habe. Neben dem eindeutigen Wortlaut der Kaufvertragsurkunde sprechen daher auch die Begleitumstände bei Unterzeichnung der Kaufvertragsurkunde für den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages gerade zwischen dem Zeugen ... und dem Zeugen ...fern. Dagegen spricht ferner, dass der Zeuge ... nach seinen glaubhaften Angaben Eigentümer des ... Motorrades war und auch den Kaufpreis auf sein Konto noch am selben Tag einbezahlt und für sich behalten hat. 
Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerseite ist nicht nur den Beweis dafür fällig geblieben, dass die Übergabe des Motorrades im Erfüllung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten erfolgte - das Gericht ist sogar vom Gegenteil überzeugt. 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11 ZPO.

Mitgeteilt von RA Sven Reissenberger, Dortmund, www.reissenberger.com